Prüfend drehte sich Mellany vor dem Spiegel. Ihr langes, blutrotes Kleid betonte ihren Körper perfekt. Das lange blonde Haar floss über ihren Rücken. Welch Ironie. Die richtige Schönheit kam erst nach dem Biss… Die Ewige Schönheit.
Für immer und ewig 19 Jahre. Melly konnte es immer noch nicht glauben. Vor ein paar Monaten war sie ein ganz normales Mädchen gewesen, jetzt war sie eine lebende Legende. Auch wenn sie anders waren, die Vampire, so waren sie immer noch das, was Großmutter und Großvater ihr immer erzählt hatten: Ein Monster das Blut saugte; Leute umbrachte für ihr eigenes Wohl.
Niemals hätte sie denken können, dass sie genau so einmal enden würde. Nicht einmal Brandon konnte ihr erklären, was die Zukunft für sie brachte. Es konnte gut und schlecht ausgehen. Mellanys Miene verdunkelte sich unmerklich.
Seufzend ließ sie sich auf einen alten Holzstuhl nieder und ließ ihren Blick durch den dunklen großen Raum schweifen, in dem sie vor ein paar Monaten erwacht war.
Teilweise war die Tapete nur noch in Fetzen vorhanden und war nur noch leicht befestigt.
In der einen Ecke stand ein kleiner Tisch mit einer dunkelblauen Vase darauf. Die Blumen in dem Gefäß waren bereits vertrocknet und verströmten einen Eigenartigen Geruch.
Angeekelt verzog Melly die Nase und stand wieder auf. Ihr war dieser Geruch vorher noch nie aufgefallen. Mit spitzen Fingern nahm sie die Vase in die Hand und öffnete das Fenster.
Dann schleuderte sie das Gefäß samt Inhalt aus dem geöffneten Fenster und drehte sich um.
Heute hatte sich schon in der Früh eine gewisse Nervosität in ihr ausgebreitet. Denn heute war wieder einmal Maskenball im Rothwellschen Schloss. Ein Tag an dem sie wie früher die ganze Nacht durchtanzen konnte. Aber auch ein Tag, an dem sie ihrer Familie begegnete.
Besonders ihre Schwester Eva Rosina schien von Mellys Distanz verwirrt.
Nur zu gern hätte sie ihrer Schwester die Wahrheit gesagt, warum sie nur noch selten nach Hause kam. Doch das würde sie nicht verstehen. Es würde ihr Angst machen, aber verstehen könne sie es sicher nicht. Nicht einmal Melly selbst verstand es.
Und da war noch der Beschützerinstinkt den sie gegenüber ihrer beiden jüngeren Schwestern hatte. Sie wollte ihnen nicht wehtun oder sie… umbringen.
Zu schnell rastete sie zurzeit aus. Und sei es nur wegen einem kleinen Fleck auf ihrem Kleid. Sie war fast wieder wie ein Teenager. Nur tausendmal stärker, stärker als Brandon.
Doch auch das würde sich im Laufe der Zeit ändern.
Mit einem wütenden Aufschrei und noch wütenderen Worten wurde Melly aus ihren Gedanken herausgerissen. „…ICH HASSE DICH!“ Erstaunt zog Mellany die Augenbrauen hoch. Neugierig lief sie die Treppen hinunter in Richtung Brandons Zimmer. Gerade noch konnte sie das verwirrte Mädchen sehen, dass nach draußen ging. „Wie reizend. Die klang aber nicht sehr begeistert.“, meinte Melly trocken und trat dann in Brandons Zimmer ein. „Wo willst du denn hin?“
tbc: Brandon Cheltenhams Zimmer